| Veranstaltung: | LDK-Wolfsburg-2025 |
|---|---|
| Tagesordnungspunkt: | 8. Weitere Anträge |
| Antragsteller*in: | Landesarbeitsgemeinschaft Sport (dort beschlossen am: 20.09.2025) |
| Status: | Eingereicht |
| Eingereicht: | 06.10.2025, 16:41 |
WA2: Gleichberechtigung im Sport – für eine gerechte und inklusive Sportkultur für Frauen
Antragstext
Bündnis 90/Die Grünen Niedersachsen übernehmen das von der
Landesarbeitsgemeinschaft Sport am 20.09.2025 beschlossene Positionspapier
„Gleichberechtigung im Sport – für eine gerechte und inklusive Sportkultur für
Frauen“:
Die Gleichberechtigung von Frauen und Männern ist im Grundgesetz verankert
(Artikel 3, Absatz 2 GG) und verpflichtet den Staat, auf die Beseitigung
bestehender Nachteile hinzuwirken. Im Bereich des Sports besteht jedoch nach wie
vor eine deutliche Kluft zwischen diesem verfassungsrechtlichen Anspruch und der
Realität. Wir setzen uns für einen Sport ein, der allen Menschen gleiche Chancen
bietet - unabhängig von Geschlecht, Herkunft oder sexueller Identität.
Sexualisierte Gewalt und Sexismus im Sport
Im Sport sind Frauen und Mädchen besonders häufig von sexualisierter Gewalt und
Sexismus betroffen. Die Strukturen im Sport - geprägt von Hierarchien,
körperlicher Nähe und Abhängigkeitsverhältnissen - begünstigen
Grenzüberschreitungen. Verbale Übergriffe, unangemessene Kommentare zum Körper
und sexistische Darstellungen in den Medien sind für viele Sportlerinnen Alltag.
Studien zeigen, dass fast jede dritte Athletin bereits sexualisierte Gewalt im
Sportkontext erfahren hat. Die bestehenden Präventions- und
Interventionsstrukturen sind unzureichend, und Betroffene finden oft kein Gehör.
Wir fordern daher verpflichtende Schutzkonzepte in allen Sportorganisationen,
die Stärkung unabhängiger Anlaufstellen für
Betroffene und die konsequente Aufarbeitung von Fällen sexualisierter Gewalt.
Wir begrüßen die geschaffene Anlaufstelle und setzen uns für eine fortlaufende
Evaluierung dieser ein.
Zeitgleich zeigt sich das Sexismusproblem auch in der Bezahlung der
Sportlerinnen, welche in den meisten Fällen deutlich weniger verdienen als ihre
männlichen Kollegen. Dieses Problem hat auch equalchamps erkannt und arbeitet an
der Lösung dessen. Diese Initiative unterstützen wir uns setzen uns für eine
gerechte Bezahlung, auch im Sport, ein.
Trainerinnenförderung
Der eklatante Mangel an weiblichen Trainerinnen, besonders in traditionell
männlich dominierten Sportarten, verstärkt bestehende Ungleichheiten. Für
Mädchen und junge Frauen fehlen wichtige Identifikationsfiguren, die den
Einstieg in diese Sportarten erleichtern könnten. Die Rahmenbedingungen für
Trainerinnen sind oft unattraktiv: Training zu Randzeiten erschwert die
Vereinbarkeit mit Familie und anderen Verpflichtungen, während die überwiegende
Beschäftigung als Honorarkraft ohne soziale Absicherung zu Versorgungslücken und
letztlich Altersarmut führt. Im Rahmen der begrenzten Möglichkeiten, die der
Landesebene diesbezüglich zur Verfügung stehen, setzt diese sich unter anderem
für die Anrechnung der Ehrenamtlichkeit auf die Rentenpunkte ein
um das Engagement als Trainerin attraktiver zu gestalten. Wir setzen uns für
Mentoringprogramme für angehende Trainerinnen, flexible Ausbildungsmodelle,
bessere Arbeitsbedingungen und eine angemessene soziale Absicherung ein. Ziel
ist es, den Anteil von Trainerinnen auf allen Ebenen signifikant zu erhöhen und
gleichzeitig ihre berufliche Situation nachhaltig zu verbessern.
Diversität in Vereinsvorständen
Die Führungsebenen im organisierten Sport sind nach wie vor männlich dominiert.
Im Jahr 2021 waren nur rund 30% der Führungspositionen mit Frauen besetzt. Diese
Unterrepräsentation führt dazu, dass frauenspezifische Perspektiven und
Bedürfnisse in Entscheidungsprozessen zu wenig Berücksichtigung finden.
Vereinsstrukturen und -angebote bleiben dadurch oft an männlichen
Lebensrealitäten ausgerichtet. Wir begrüßen die Initiative des LSB, Frauen in
Vorständen zu stärken und die Sichtbarkeit von Frauen in Vorständen zu erhöhen.
Damit die Sportvereine die Parität bei Sportvorständen und/oder Verbandsgremien
erreichen können, sollen gezielte Qualifizierungsmaßnahmen für Frauen in
Führungspositionen sowie die Etablierung familienfreundlicher Sitzungszeiten und
–Formate weiter gefördert werden. Nur durch eine ausgewogene Beteiligung aller
Geschlechter in Entscheidungsgremien kann der Sport zu einem
wirklich gleichberechtigten Raum werden.
Spitzensport: Vereinbarkeit von Familie und Leistungssport
Die Vereinbarkeit von Familiengründung und sportlicher Karriere stellt für
Spitzensportlerinnen eine besondere Herausforderung dar. Während eine
Familienpause in anderen Berufen rechtlich abgesichert ist, bedeutet eine
Schwangerschaft für Athletinnen oft das faktische Karriereende.
Sponsoringverträge werden gekündigt, Fördergelder gestrichen und der
Wiedereinstieg ist kaum geregelt. Diese strukturellen Hindernisse zwingen
Sportlerinnen zu einer künstlichen Entscheidung zwischen Familie und Karriere,
die Männern nicht abverlangt wird. Wir setzen uns für einen
gesetzlich verankerten Mutterschutz für Berufssportlerinnen ein, der
Lohnfortzahlung während der Schwangerschaft, Erhalt von Kaderplätzen und
Fördergeldern sowie unterstützende Maßnahmen für den Wiedereinstieg umfasst.
Sportverbände müssen zudem verpflichtet werden, familienfreundliche
Trainingsbedingungen zu schaffen und Kinderbetreuung bei Wettkämpfen anzubieten.
Als positiv Beispiel ist hier der TSG Hoffenheim zu nennen, welcher Spielerinnen
eine Vertragsverlängerung bei Schwangerschaft im letzten Vertragsjahr bei
gleichen wirtschaftlichen Bedingungen garantiert. Das ist ein wichtiger Schritt
und wir begrüßen diesen.
(https://www.spiegel.de/sport/fussball/fussball-tsg-hoffenheim-fuehrt-
vertragsverlaengerung-bei-
schwangerschaft-ein-a-d2f2156e-871c-41ce-8256-adb312880e64)
Spitzensport: Inklusion von trans Personen
Die Teilhabe von trans Personen am Wettkampfsport wird in vielen Sportarten
durch pauschale Ausschlüsse verhindert. Insbesondere trans Frauen sehen sich mit
dem unbegründeten Vorwurf konfrontiert, sie würden über "unfaire Vorteile"
verfügen. Diese Annahme ist wissenschaftlich nicht haltbar und ignoriert die
Vielfalt körperlicher Voraussetzungen, die bei allen Sportler*innen existiert.
Wir setzen uns für eine evidenzbasierte, menschenrechtskonforme Regelung ein,
die den Schutz vor Diskriminierung in den Mittelpunkt stellt. Sportverbände
müssen verpflichtet werden, inklusive Teilnahmeregeln zu entwickeln, die die
Menschenwürde und das Recht auf Selbstbestimmung respektieren. Dabei sind
pauschale Ausschlüsse abzulehnen und stattdessen Lösungen zu finden, die
die Teilhabe aller Menschen am Sport ermöglichen.
Nichtbinäre Menschen sind durch die Zweiteilung nach Geschlecht häufig generell
von Sportvereinen ausgeschlossen oder müssen sich einer Gruppe zuordnen, zu der
sie nicht wirklich gehören. Auch sind die Sanitäreinrichtungen der meisten
Sporteinrichtungen nur binärgeschlechtlich. Sportverbände sollten Regelungen und
Vorschläge entwickeln, die nichtbinären Menschen eine gleichberechtigte und
diskriminierungsfreie Teilnahme an Training und Wettbewerben ermöglicht.
Genderorientierte Sportwissenschaft
Die Sportwissenschaft und -medizin hat sich historisch vorwiegend an männlichen
Körpern orientiert (gender data gap). Trainingslehre, Ernährungsempfehlungen und
Leistungsdiagnostik basieren überwiegend auf Studien mit männlichen Probanden,
deren Ergebnisse unreflektiert auf Frauen übertragen werden. Die spezifischen
physiologischen Bedingungen des weiblichen Körpers,
insbesondere des Menstruationszyklus’ und dessen Auswirkungen auf Training und
Leistungsfähigkeit, werden kaum berücksichtigt. Wir fordern daher eine
systematische Förderung der gendersensiblen Sportwissenschaft, die Etablierung
von zyklusorientiertem Training als Standard sowie die Integration dieser
Erkenntnisse in die Ausbildung von Trainer*innen. Nur durch die Sensibilisierung
für geschlechtsspezifische Trainingsansätze können alle Sportler*innen ihr
volles Potenzial entfalten und Verletzungsrisiken minimieren.
Gleichberechtigung im Sport: Unsere Forderungen
Um die Gleichstellung im Sport voranzubringen, setzen wir uns für folgende
konkrete Maßnahmen ein:
• Förderung der Parität bei Führungspositionen in Sportverbänden und -Vereinen
• Bundesweites Programm zur Förderung von Trainerinnen mit besonderem Fokus auf
Frauen mit Migrationsgeschichte
• Gesetzliche Verankerung eines Mutterschutzes für Berufssportler*innen
• Equal Pay im Spitzensport durch Koppelung öffentlicher Fördergelder an
gleichwertige Vergütung
• Gleichwertige Ressourcenaufteilung im Breiten- und Spitzensport
• Verpflichtende Schutzkonzepte gegen sexualisierte Gewalt in allen geförderten
Sportstrukturen
• Einrichtung eines Forschungsschwerpunkts "Gendersensible Sportwissenschaft"
mit ausreichender finanzieller Ausstattung
• Entwicklung inklusiver Regelungen für die Teilhabe von trans-, inter- und
nicht-binären Personen am Wettkampfsport
Der Sport muss seiner gesellschaftlichen Verantwortung gerecht werden und zu
einem Ort werden, an dem Gleichberechtigung gelebt wird. Mit unserem Beschluss
legen wir einen umfassenden Ansatz vor, um strukturelle Benachteiligungen
abzubauen und allen Menschen die gleichberechtigte
Teilhabe am Sport zu ermöglichen. Nur so kann der Sport sein volles Potenzial
als verbindendes und stärkendes Element unserer Gesellschaft entfalten.
https://www.dw.com/de/kirsty-coventry-ioc-transgender-frauensport-transfrauen/a-
58675555
https://www.lsb-
niedersachsen.de/fileadmin/user_upload/Ausschreibung_Systemcoaching-2024.pdf
Verfasst von dem Schreibteam der LAG Sport um Koordinatorin Onyeka Oshionwu
Beschlossen bei der Präsenzsitzung der LAG Sport am 20.09.2025