| Veranstaltung: | LDK-Wolfsburg-2025 |
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| Tagesordnungspunkt: | 8. Weitere Anträge |
| Antragsteller*in: | LAG Tierschutzpolitik (dort beschlossen am: 16.10.2025) |
| Status: | Eingereicht |
| Eingereicht: | 20.10.2025, 18:22 |
WA15: Tiertransporte in Tierschutz-Hochrisikostaaten beenden
Antragstext
Bei Langstreckentransporten von Tieren in Drittländer außerhalb der EU kommt es
vielfach zu schweren Verstößen gegen Tierschutzbestimmungen und zu erheblichen
Leiden bei den Tieren. Auch nach der Ankunft ist ein tierschutzgerechter Umgang
mit den Tieren nicht sichergestellt. Diese Problematik ist seit längerem bekannt
und regelmäßig Gegenstand von Medienberichterstattung.
Beispielsweise entstehen bei Rindertransporten auf dem Landweg in Richtung
Türkei an der bulgarisch-türkischen Grenze am chronisch überlasteten
Grenzübergang Kapikule regelmäßig Wartezeiten von mehr als 6 Stunden bis hin zu
mehreren Tagen. Während dieser Zeit müssen die Rinder bei jeder Wetterlage auf
den Transportfahrzeugen bleiben. Dabei kommt es regelmäßig zu erheblichen
Leiden, nicht selten sterben Tiere auf den Fahrzeugen. Die Tiere stehen
dichtgedrängt in ihren Exkrementen und können nur unzureichend mit Futter und
Wasser versorgt werden.
Wegen dieser vorhersehbaren Risiken dürften solche Transporte von den Behörden
nicht genehmigt werden. Eine genaue Prüfung bei der behördlichen Abfertigung
müsste zur Versagung der Transportgenehmigung führen.
Vor diesem Hintergrund setzen wir, Bündnis 90/Die Grünen, uns mit Nachdruck auf
allen politischen Ebenen für die bundesweite Beendigung von Tiertransporten in
Tierschutz-Hochrisikostaaten ein. Dazu
- fordern wir die Bundesregierung auf, ein nationales Exportverbot für
Rinder, Schafe und Ziegen in Tierschutz-Hochrisikoländer zu verhängen,
- fordern wir die Bundesregierung auf, sich auf europäischer Ebene bei der
Überarbeitung der EU-Tierschutztransportverordnung für eine entsprechende
europäische Regelung einzusetzen,
- bitten wir die niedersächsische Landesregierung, sich auf Bundesebene für
ein einheitliches Vorgehen bei der Abfertigung von Transporten in allen
Bundesländern einzusetzen,
- sollen die zuständigen Behörden bei der Abfertigung der Transporte - wie
in Niedersachen - bundesweit zu einer genauen Prüfung nach den Vorgaben
der EU-Kontrollverordnung (Art. 21) verpflichtet werden.
Das bisherige Engagement des niedersächsischen Landwirtschaftsministeriums als
oberste Tierschutzbehörde des Landes Niedersachsen zur Verhinderung solcher
Transporte ist dabei ausdrücklich zu begrüßen.
Tierschutzhochrisikostaaten sind außereuropäische Drittstaaten, in denen keine
Tierschutzvorgaben gelten oder diese weder eingehalten noch überwacht werden und
die Tiere dadurch regelmäßig erheblichem Leid ausgesetzt sind, insbesondere
durch die Schlachtung, da diese betäubungslos und unter weiteren
tierschutzwidrigen Bedingungen durchgeführt wird. Transporte von Tieren in
solche Staaten sind aufgrund der erheblichen Beeinträchtigungen der Tiere
während des langen Transports sowie der aufgezeigten tierschutzwidrigen
Behandlung der Tiere in den Zielländern, insbesondere im Rahmen der Schlachtung,
mit dem Staatsziel Tierschutz gemäß Artikel 20a Grundgesetz nicht vereinbar
(Stellungnahme der vorigen Bundestierschutzbeauftragten Ariane Kari vom
5.11.2024).
Begründung
Hintergrund
Die beiden NGOs Animals Angels und Animal Welfare Foundation haben zwischen 2011 und 2021 insgesamt 833 Tiertransporte an der bulgarisch-türkischen Grenze dokumentiert und die Wartezeiten der Tiere auf den LKWs analysiert. Dabei musste die Hälfte der LKWs mehr als 6 Stunden warten, und zwar 37% 6-12 Stunden, 35% 12-24 Stunden, 23% 1-3 Tage und 5% mehr als 3 Tage. Dabei kommt es immer wieder zu kaum vorstellbaren Szenen mit sterbenden Tieren in völlig zugekoteten Fahrzeugen. Eine besondere Belastung stellen dabei sommerliche Temperaturen dar, in denen sich die Fahrzeuge ohne Schatten aufheizen. Da die Tiere nicht abgeladen werden können, versagen sämtliche möglichen Notfallmaßnahmen. In den Medien wurde außerdem mehrfach darüber berichtet, dass Tiere aus der EU in Drittländern unter grausamen Bedingungen ohne Betäubung geschlachtet wurden.
Nach Art. 3 EU-Transportverordnung Nr. 1/2005 darf niemand einen Tiertransport durchführen oder veranlassen, wenn den Tieren dabei Verletzungen oder unnötige Leiden zugefügt werden könnten. Dieser Fall liegt bei diesen Transporten zweifellos vor. Das Risiko von stunden- bis hin zu tagelangen Transportverzögerungen ohne Möglichkeit zu Notfallmaßnahmen ist nicht nur eine abstrakte Möglichkeit, sondern stellt eine konkrete Gefahr dar.
Nach Art 21 Abs. 2 EU-Kontrollverordnung Nr. 2017/625 umfassen die amtlichen Kontrollen zur Einhaltung von Tierschutzbestimmungen beim Transport u.a. die Plausibilitätsprüfung der Fahrtenbücher mit der zeitlichen Planung der Fahrroute. Da durch die unkalkulierbaren Wartezeiten an der Grenze die Höchsttransportdauer von 29 Stunden regelmäßig nicht eingehalten werden kann, enthalten die Fahrtenbücher keine realistischen Angaben zur Transportdauer. Da eine Änderung der Planung zur Einhaltung der Tierschutzbestimmungen aufgrund der Unkalkulierbarkeit der Wartezeiten realistisch nicht möglich ist, ist der Transport nach Art. 21 Abs. 4 zu untersagen.
Für die Prüfung nach EU-Kontrollverordnung durch die zuständigen Behörden steht eine Checkliste der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz zur Verfügung, die auch eine ausführliche rechtliche Begründung des Vorgehens veröffentlicht hat (vgl. Amtstierärztlicher Dienst und Lebensmittelkontrolle Heft 4/2023, S. 220-225 – Checkliste, Heft 1/2025, S. 20-25 – Begründung).