| Veranstaltung: | LDK-Wolfsburg-2025 |
|---|---|
| Tagesordnungspunkt: | 6. Antisemitismus bekämpfen - jüdisches Leben schützen |
| Antragsteller*in: | Landesvorstand (dort beschlossen am: 26.10.2025) |
| Status: | Eingereicht |
| Eingereicht: | 28.10.2025, 12:14 |
A2: Antisemitismus bekämpfen – jüdisches Leben schützen
Antragstext
Resolution zum 9. November
Antisemitismus bekämpfen – jüdisches Leben schützen
„Es ist geschehen, und folglich kann es wieder geschehen“ - Primo Levi
86 Jahre nach den Novemberpogromen ist Antisemitismus gesellschaftliche
Realität: Er zeigt sich auf vielfältige Weise – laut und gewalttätig, aber auch
subtil und schleichend. Er findet sich in rechten, islamistischen und
verschwörungsideologischen Milieus ebenso wie in Teilen der politischen Linken.
Und er findet mitten in der Gesellschaft statt, in Alltagssprache und
vermeintlichen Witzen, in Klischees und Vorurteilen. Das alles sind deutsche
Probleme einer deutschen Gesellschaft.
Die Ereignisse der letzten Jahre machen dies deutlich. Anschläge auf Synagogen
wie in Oldenburg, antisemitische Hetze auf den Straßen nach dem Terrorangriff
der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023, Angriffe auf jüdische Studierende und
Lehrende, aber auch Beschädigungen und Bedrohungen gegen Erinnerungsorte wie die
Gedenkstätte Bergen-Belsen zeigen: Antisemitismus bedroht jüdisches Leben – auch
heute noch. Viele Jüdinnen und Juden leben in ständiger Sorge: um ihre Kinder
auf dem Schulweg, um ihre Familien in der Öffentlichkeit, um ihre Gemeinden. Das
ist ein unerträglicher Zustand.
Am 9. November 1938 brannten in ganz Deutschland Synagogen, jüdische Geschäfte
wurden geplündert, Menschen geschlagen, verschleppt, getötet. Die
Reichspogromnacht markierte den Übergang von Diskriminierung, Ausgrenzung und
Entrechtung zur systematischen Vernichtung jüdischen Lebens in Europa. Sie war
der Auftakt zum beispiellosen Menschheitsverbrechen der Shoah, bei dem Deutsche
sechs Millionen europäische Jüdinnen und Juden ermordet haben.
Aus dieser historischen Schuld erwächst für uns eine unverbrüchliche
Verantwortung: Antisemitismus niemals hinzunehmen, jüdisches Leben zu schützen
und für die Erinnerung an die Verbrechen des Nationalsozialismus einzustehen.
“Nie wieder” ist kein Satz aus der Vergangenheit, sondern ein dauerhafter
Auftrag.
Die Geschichte zeigt: Eine Demokratie, die Hass gegen Minderheiten zulässt,
zerstört sich selbst. Die Entrechtung der Jüdinnen und Juden begann lange vor
den Gaskammern – sie begann mit Hetze, Ausgrenzung, Gleichgültigkeit. Wenn
Synagogen dauerhaft unter Polizeischutz stehen müssen, wenn jüdische Kinder
Angst haben, ihre Kippa oder einen Davidstern offen zu tragen, dann zeigt sich,
dass das Erinnern an die Reichspogromnacht kein Ritual bleiben darf. Gedenken
allein genügt nicht. Es muss verbunden sein mit konsequentem Handeln: gegen Hass
und Hetze, gegen Gewalt und Ausgrenzung, gegen Antisemitismus in allen seinen
Formen.
Zugleich erleben wir auch ermutigende Zeichen. Hunderttausende Menschen haben
nach den Enthüllungen des Correctiv-Rechercheteams über ein rechtsextremes
Treffen in Potsdam, bei dem ein Geheimplan gegen ein demokratisches und
weltoffenes Deutschland entworfen wurde, auf den Straßen demonstriert. Diese
Großdemonstrationen für Demokratie und Vielfalt, für Respekt und gegen Hass,
sind ein starkes Signal. Sie zeigen: Unsere Gesellschaft ist wachsam. Viele
Menschen treten ein für die Werte des Grundgesetzes.
Wir GRÜNE Niedersachsen sind antifaschistisch. Für uns ist klar: Der Kampf gegen
Antisemitismus ist Teil unseres Selbstverständnisses und unseres politischen
Auftrags. Wir bekennen uns dazu, jüdisches Leben in Deutschland nicht nur zu
schützen, sichtbar zu machen und zu fördern. Dazu gehören Bildung und
Erinnerung: Antisemitismusprävention muss fest im Bildungssystem verankert sein
– von der Kita über die Schule bis zur Universität. Jüdisches Leben muss als
selbstverständlicher Teil deutscher Geschichte und Gegenwart vermittelt werden.
Gedenkstättenarbeit und historisch-politische Bildung müssen gestärkt,
Begegnungen ermöglicht und kritische Medienkompetenz gefördert werden.
Antisemitismus darf keinen Platz haben – weder im Alltag noch auf der Bühne.
Kulturinstitutionen, Vereine und Initiativen sind gefordert,
antisemitismuskritische Leitlinien zu entwickeln und konsequent umzusetzen.
Gleichzeitig gilt es, Kunst und Kultur von Jüdinnen und Juden sichtbar zu machen
und zu unterstützen.
Jüdische Einrichtungen müssen sicher sein. Dafür braucht es eine verlässliche
Finanzierung von Schutzmaßnahmen und die enge Zusammenarbeit von Gemeinden,
Ländern und Sicherheitsbehörden. Antisemitische Straftaten müssen konsequent
verfolgt und geahndet werden. Unser Rechtsstaat muss zeigen, dass er auf der
Seite der Betroffenen steht.
Die rot-grüne Landesregierung hat in diesen Bereichen zurecht Mittel verstetigt
und neue Mittel für Sicherheit, Begegnung und Erinnerung sowie demokratischer
Bildung bereitgestellt.
Antisemitismus ist aber nicht allein politisch zu besiegen. Wir brauchen Haltung
– in Parteien, Vereinen, Schulen, Medien und am Arbeitsplatz. Schweigen und
Wegsehen sind keine Option. Jede*r Einzelne ist gefordert, Widerspruch zu
leisten, wenn antisemitische Äußerungen fallen.
Unsere Verantwortung endet nicht an den Landesgrenzen. Der Schutz von Jüdinnen
und Juden ist Teil der deutschen Staatsräson. Dazu gehört das unverrückbare
Bekenntnis zum Existenzrecht Israels. Wir stehen an der Seite Israels in seinem
Recht, seine Bürgerinnen und Bürger gegen Terror zu schützen. Und wir stehen an
der Seite der israelischen Zivilbevölkerung, die seit Monaten für Frieden und
Bürger*innenrechte demonstriert. Zugleich sind wir in der Verantwortung, in
Europa und weltweit Antisemitismus zu benennen und ihm entgegenzutreten. Das
gilt auch in internationalen Organisationen, in denen Israel einseitig
delegitimiert oder dämonisiert wird. „Nie wieder“ gilt universell – für die
Würde und Sicherheit von Jüdinnen und Juden überall auf der Welt.
„Nie wieder“ bedeutet heute: Nie wieder Gleichgültigkeit, nie wieder Wegsehen.
Nie wieder Hass als Normalität. Unsere wehrhafte Demokratie zeigt sich darin,
Minderheiten zu schützen und Vielfalt zu bewahren. Am 9. November gedenken wir
der Opfer des Nationalsozialismus und der Reichspogromnacht. Zugleich bekennen
wir uns zu unserer Verantwortung: dafür zu sorgen, dass jüdisches Leben in
Deutschland eine sichere und selbstverständliche Zukunft hat.
Nie wieder ist jetzt.
Änderungsanträge
- Globalalternative: Ä1 (Katharina von Dach (KV Oldenburg-Stadt), Eingereicht)