Eigentlich hätten wir in diesem Jahr allen Grund zum Feiern: das Abkommen Schengen I, in dem grund-sätzlich die Absicht erklärt wurde, die Binnenkontrollen abzubauen und das Zusammenwachsen Europas zu fördern, wurde vor 40 Jahren, am 14.6.1985 unterzeichnet von Deutschland, Frankreich und den Benelux-Staaten. Vor 30 Jahren, am 26.3.1995 wurde mit Schengen II die Umsetzung u.a. mit der Abschaffung der Personenkontrollen durchgeführt, beteiligt außer den oben genannten Staaten noch Portugal und Spanien.
Mittlerweile umfasst der Schengenraum, in dem die Personenfreizügigkeit gilt, knapp 30 Staaten. Leider hat es aber in den letzten Jahren ein Rollback gegeben.
Das Übereinkommen über den freien Warenverkehr ist noch älter und die Ausgangsbasis für die europäische Idee und Integration. Lange galten die vier Grundfreiheiten: freier Warenverkehr, freier Personen-verkehr, Dienstleistungsfreiheit und freier Kapitalverkehr als essentielle Errungenschaften und Garanten für das – auch wirtschaftliche – Erfolgsmodell Europa.
Wir sehen seit einiger Zeit überall ein Erstarken nationalistischer Tendenzen. Das ist diametral entgegengesetzt zu der grünen Vision einer Föderalen Republik Europa. Geschlossene Grenzen sind ein Rückschritt ins letzte Jahrhundert, sie entsprechen nicht mehr der europäischen Lebenswirklichkeit, die auf die vier Grundfreiheiten ausgerichtet ist.
Temporäre Grenzkontrollen waren schon immer unter ganz bestimmten Voraussetzungen möglich, im Schengen-Kodex, der im Mai 2024 reformiert wurde, ist festgelegt, dass Kontrollen der Binnengrenzen im Falle einer „ernsthaften Bedrohung“ zunächst für die Dauer von sechs Monaten erlaubt werden. Bei Fortbestehen der Bedrohung, kann dieser Zeitraum um jeweils sechs Monate bis zu einer Gesamtdauer von maximal zwei Jahren verlängert werden. Liegt aus Sicht des Mitgliedstaats sogar eine „schwerwie-gende, außergewöhnliche Situation“ vor, darf auch darüber hinaus ein weiteres halbes Jahr lang kon-trolliert werden. Hat sich die Situation in diesem Zeitraum immer noch nicht verbessert, ist ein letzte Verlängerung um sechs Monate möglich. Insgesamt können die Grenzkontrollen so bis zu drei Jahre am Stück aufrechterhalten werden. (Quelle: https://www.bpb.de/kurz-knapp/hintergrund-aktuell/552491/grenzkontrollen-bei-der-einreise-nach-deutschland/)
„Das Bundesinnenministerium begründet die vorübergehende Anordnung von Grenzkontrollen damit, dass die Maßnahme erforderlich sei, um die „irreguläre Migration weiter zu begrenzen“ und den „Schutz der inneren Sicherheit“ zu gewährleisten. Im Bereich der irregulären Migration sei „die Gesamtbelastung Deutschlands zu berücksichtigen, insbesondere die begrenzten Kapazitäten der Kommunen bei der Unterbringung sowie im Bildungs- und Integrationsbereich durch die Aufnahme von 1,2 Millionen Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine und die Asylmigration aus den vergangenen Jahren“.“ (https://www.bpb.de/kurz-knapp/hintergrund-aktuell/552491/grenzkontrollen-bei-der-einreise-nach-deutschland/)
Die Kontrollen sind europarechtswidrig, da nicht - wie gefordert – auf eine Ausnahmesituation reagiert wird, sondern die Überlastung der deutschen Behörden systemisch ist (Quelle: https://verfassungsblog.de/zuruckweisung-grenze-kontrolle-dobrindt/).
Darüber hinaus bringen die Grenzkontrollen nicht die erhofften Erfolge, sondern stellen sich als Aktionismus raus, der das alltägliche Leben der Menschen im Grenzgebiet teilweise stark einschränkt, den Warenverkehr stellenweise massiv behindert, Kapazitäten bei der Bundespolizei bindet und für erhebliche Kosten sorgt (September 2024 bis Juni 2025 mehr als 80 Mio € überwiegend für Überstunden der Bundespolizei).
Die Strukturen lassen häufig auch keine wirklichen Kontrollen mehr zu, wenn z.B. die eine Straßenseite deutsch und die andere niederländisch ist, so dass hier Symbolpolitik betrieben wird, die rechte und nationalistische Strömungen unterstützt anstatt sie im Interesse der europäischen Integration zu bekämpfen.
Lebenswirklichkeit in den Grenzgebieten sind binationale Familien, die Arbeitsstätten, Bildungseinrichtungen und Freizeitangebote in beiden Ländern wahrnehmen. Dieses europäische Leben wird derzeit auf eine harte Probe gestellt durch die Wiedersichtbarmachung von nationalen Grenzen, die es so auch erst als Folge des ersten Weltkriegs gab.
| Antrag: | Niedersachsen gewinnt – mit grünem Kompass |
|---|---|
| Antragsteller*in: | LAG Europa und Internationales (dort beschlossen am: 23.10.2025) |
| Status: | Angenommen |
| Eingereicht: | 02.11.2025, 12:55 |